Wenn man dieser Tage die Medienlandschaft durchforstet, könnte man versucht sein, den Eindruck zu gewinnen, dass die Zeit reif wäre für eine Neuausrichtung des (Finanz-)Marktes, für eine Neufestsetzung der Spielregeln im Spiel des Mammons mit sich selbst oder mit dem, wofür er auf Papier zu stehen vermag: Diverses Eigentum. Die dieser Tage, Wochen und Monate und in immer kürzeren Abständen einberufenen medialen Politshows zur angeblichen Rettung des Euros, der Finanzmärkte, der Geldwertstabilität werden immer grotesker und lavieren zwischen Farce und völliger Ahnungs-/Hilflosigkeit. Man möge sich bitte mal ins Gedächtnis rufen, dass das erste Rettungspaket für Griechenland vor knapp 1,5 Jahren geschnürt worden ist, dass die letzte Finanzkrise lt. deutscher Medienlandschaft und Politik ja hierzulande bestens überstanden worden ist und dass die Wirtschaft wieder so richtig, aber sowas von richtig brummt. Warum dann immer wieder neue Hiobsbotschaften? Irgendetwas kann ja wohl an der, nennen wir es mal euphemistisch leicht fehleranfällige Informationspolitik nicht ganz stimmen, aber das soll hier nicht das Thema sein.

Einen sehr bemerkenswerden Artikel konnte man dieser Tage auf SPIEGEL Online lesen: (vgl. http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,775060,00.html) – Er schließt mit dem Satz, dass vielleicht das Spiel bald nach neuen, chinesischen Regeln gestart werden könnte… Ich dachte kurzzeitig eine wundervolle ironische Brechnung, fast ein Clou am Ende eines in meinen Augen wirklich mal lesenwerten Artikels, weil er so unprätentiös das IST beschreibt und mögliche Szenarien skizziert, ohne dramatisch im Duktus zu werden. Aber der Autor meinte das wohl ernst – und sicher nicht zu Unrecht. Aber was ich nun vermutet hätte, traf nicht ein: Ein Aufschrei, ein Gegenargumentieren, ein offenes Artikulieren, dass wir dies doch eigentlich nicht wollen (können), denn wenn ich es recht erinnere, ist China jetzt nicht unbedingt das Musterland des Kapitalismus, oder? Wo bleiben die ewigen Mahner der elitären FDP, der Verfechter der freien Finanzmärkte, der rechtskonservativen Lager aller Schattierungen, die ganzen neoliberalen Jünger, die sich darüber echauffieren, empören und exaltieren, dass hier dem Kommunismus eine Avance gemacht wird, dass man es für möglich hält, dass ein (neues) Spiel nach den Regeln eines „Anführers“ stattfindet, der einer Gesellschaftordnung vorsteht, die doch eigentlich immer als grundfalsch deklariert wird oder worden ist, der, was Demokratie betrifft, eine sicher etwas andere Auffassung davon hat, als wir Europäer oder auch die Amerikaner. Es verblüfft etwas, dass das alles so einfach im scheinbaren Nichts „untergehen“ kann, ohne dass es substantiell erwidert/rezipiert wird. Oder sind die Thesen/Szenarien etwa so abstrus, dass man sich damit nicht befassen will? Oder steht man mit dem Rücken doch näher an der Wand, als man es wahr haben will? Das lassen wir mal dahingestellt sein, denn auch das soll nicht der eigentliche Kern sein, um den es hier primär gehen sollte…

Denn eine der Überlegungen, die man im Kontext der ganze Finanzbra(n)che auch haben müsste, ist doch auch die, wie es (u.a.) möglich war, dass sich der gesamte Finanzsektor überhaupt derartig fehlentwicklen konnte, dass eine Blase nach der anderen zu platzen droht und für das ein oder andere Debakel sorgt bzw. dem größeren Unheil den Weg zu ebnen scheint. Dass es die vielzitierte Loskopplung von der Realwirtschaft gegeben hat, das weiß heute wohl jeder, dass diese Loskopplung etwa das 30-35 fache des globalen BIP beträgt, vielleicht nicht jeder. Mit anderen Worten: Es ist mehr als 30x soviel (fiktives) Geld im Umlauf, wie real erwirtschaft wird. Eine etwas lose, aber recht informative Zusammenstellung zu diversen Daten und Fakten diesbezüglich kann man hier http://www.banklounge.de/fileadmin/data_archive/pdf/Pelz-Krise-04.pdf nachlesen. Aber, und nun kommen wir zum Kern, auf den hier aufmerksam gemacht werden sollte, wie war diese Entwicklung denn möglich? Früher musste man Bilanzen von Hand schreiben, anpassen, oder Transaktionen (auf Papier) vorbereiten und planerisch umsetzen etc. Und heute? Da wird ALLES über den ONLINE-Handel der Börsen gesteuert. Jeder Wimpernschlag im Wirtschaftsraum Welt führt automatisch dazu, dass dieses System reagiert. Jede Medienmeldung führt dazu, dass dieses System reagiert. Es sind ja scheinbar nur noch ein paar Klicks am Computer und schon geht das Spiel wieder los, und schon werden die Regeln angewandt, die man sich auferlegt hat. Ob dabei (u.a.) nun nach Basel 1, 2 oder 3 verfahren wird, dies spielt keine so große Rolle, denn das Regelwerk ändert nichts am System der ECHTZEIT, am System der Transaktionen, das nur noch von einer handvoll Menschen überhaupt gesteuert wird und wohl auch werden kann. Selbst die Staaten und Regierungen sind diesem Spiel ja scheinbar hilflos ausgesetzt.

(c) Silvan Wegmann  

Jetzt mag man einwenden, dass es doch aber in erster Linie das nationale oder internationale RECHT wäre, was die Steuerung der Finanzmärkte reguliert, oder? Ja, oder was reguliert die Finanzmärkte tatsächlich? Ist es nicht ein wenig verblüffend, dass es keinerlei, aber auch absolut keinerlei nennenswerte Bestrebungen gibt, den MECHANISMUS der Finanzmärkte zu beeinflussen? Fast alle aktuellen Spekulation gegen die Krisenländer, gegen den Euro-Raum, laufen doch über das System des Online-Handels der hiesigen Börsen ab, oder? Wie haben Staaten Anfang/Mitte des letzten Jahrhunderts ihre Finanzmärkte denn überwiegend gesteuert? Sicher, Börsen gibt es schon länger (etwa seit dem 17. Jahrhundert), aber selbst wenn wir deren Existenz mal nicht weiter hinterfragen wollen, funktionierten sie früher nach anderen Maßstäben; auch oder besser gerade auf die Transparenz in den Märkten bezogen …

Zeit, dass der Finanzsektor einer Generalüberholung bedarf, ist es schon mehr als lange, aber diese Überholung muss zwingend dazu führen, dass das Spielen endlich aufhört, dass diese Finanzbranche sich wieder dem Realen verschreibt und nicht eine Brache nach der anderen generiert. Unfassbar in diesem Zusammenhang ist hierbei noch, dass es nun auch mitten in Europa Länder gibt, in denen Menschen beginnen in größerem Ausmaß -expressis verbis- zu hungern. (vgl. Griechenland). Wenn das Spiel so weit gehen kann, ob mit versuchter Rettung oder ohne, dann hat es jede Legitimation verloren. Man darf wohl den Traum haben, dass der Casino-Kapitalismus schnellstens fällt; in jedem Falle eher fällt, als die Notenbanken beginnen Geld zu pressen – im großen Stil, wie immer, wenn es kriselt(e) im Spiel…

Infos zu diesem Artikel:
Bullshit-Index: 0.16
( http://www.blablameter.de )
Angeblich verfasst im Schreibstil von: Melinda Nadj Abonji
( http://www.faz.net/f30/aktuell/WriteLike.aspx )

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